Let’s Twist again

Die Blumen blühen in voller Pracht, die Sonne strahlt mit den Gesichtern der Kinder um die Wette und die Eisdielen der Städte machen wieder den Umsatz Ihres Lebens: Der Sommer ist zurück. Und mit ihm die Sommerkleider und offenen Schuhe und Sonnenbrillen und Bikinis.
Klar, auch ich liebe es, wenn der Tag nicht durchgehend von Dunkelheit geprägt ist und man sein verkniffenes Bürogesicht in der Mittagspause in die Sonnenstrahlen recken und etwas entspannen kann. Besonders als Kind habe ich es genossen, in der puren Hitze nackt durch die Sonne zu toben und mich zwischendrin – zum Leidwesen der Kundschaft – an der Kühltheke des kleinen Supermarktes etwas akklimatisierte, indem ich meinen Po neben Joghurt und Milch platzierte.
Doch heute, einige Jahre später, sieht das ganz anders aus. Ich springe nicht mehr bei der ersten Hitzewelle nackt auf die Straße (okay, das hat inzwischen natürlich noch weitere Gründe) und suche eher die schattigen Plätzchen im Garten auf. Ja, heute ziehe ich den Winter vor!

Und so stehe ich im Büro und rufe: „Ich sehne mir so den Winter herbei!“ Ungläubige Gesichter starren mich an. „Johanna, erst gestern hast Du Dir Deinen Winterparka in der Agentur angezogen. Bei 22 Grad. Weil es Dir zu kalt war. Während der Rest von uns mit kurzärmeligen Shirts herumgelaufen ist“ entgegnet eine Kollegin. Und greift damit natürlich Tatsachen auf.
Klar, ich friere sehr schnell und auch sehr ungern und frage mich deswegen noch heute, wie ich damals die frostige Kühltheke im Supermarkt als angenehm empfinden konnte. Doch während der ein oder andere in Sandalen durch die Gassen flaniert, trage ich heute unter meinen Stiefeln am liebsten noch Mamas selbstgestrickte Socken. „Stimmt, aber trotzdem liebe ich den Winter so viel mehr“, erwidere ich. „Das Sommer-Winter-Feeling ist bei mir eben etwas verdreht“.  „Naja, Du bist ja generell etwas verdreht, Johanna“; meint die Kollegin. Und ich mache so, als hätte ich es nicht gehört. Doch irgendwie stimmt es. Während gefühlt der Rest der Welt im Sommer leichte Speisen vorzieht, Salate anmacht, Gemüse mariniert und Beeren verputzt, bekomme ich in den sonnigsten Monaten Lust auf deftige, schwere Gerichte. Gerne darf bei mir mitten im Juli ein Gänsebraten mit Klößen auf den Mittagstisch. Und dann zum Nachtisch noch Mousse au Chocolat. Statt eines Wassereis‘ beim Sonnenbaden, genieße ich dann lieber dabei heiße Eintöpfe oder Suppen. „Du bist total verdreht“, meinte erst letztes Jahr meine Freundin Viki, als ich mir während einer Hitzewelle die zweite Portion Chili ganz frisch nachwürzte, während der Rest der Truppe vor Ihren Salaten mit Früchten saß und eher lustlos darin herumstocherte. Es ist auch schon irgendwie verdreht, dass ich im Sommer viel mehr Überwindung brauche, morgens aufzustehen um vor der Arbeit Joggen zu gehen. „Du weißt aber schon, dass es bei morgendlichem Sonnenschein und angenehmen 13 Grad leichter sein sollte?“ fragt mich mein Mitbewohner. Ja, ich weiß wie es eigentlich sein sollte. Bei mir ist es jedoch so, dass ich im tiefsten Winter bei 0 Grad morgens fast problemlos aus dem Bett springe, mir gefühlt 10 Schichten an Joggingklamotten überwerfe, dann den Schal, die Handschuhe, die Mütze und letztendlich – total vermummt – um 6 Uhr in die Dunkelheit trete. Dann, wenn die Kälte mir einen kleinen Schlag ins Gesicht verpasst und ich vor lauter Dunkelheit lediglich ahnen kannst, wo sich der Weg vor mir befindet…dann springen bei mir die Endorphine im Salto und ich empfinde pures Glück. Wohl das gleiche Glücksgefühl, das bei allen anderen während des Sonnenbadens am Strand, beim Eis essen im Park oder beim Freibad-planschen auftritt. Nur eben etwas verdreht.
Und so ist es doch kaum verwunderlich, dass ich nach Strandspaziergängen bei 30 Grad in Italien (und meinem obligatorischen deftigen Auflauf im Anschluss) doch gar nicht so entspannt bin. Nicht so wie Freunde und Familie, die in diesen Zeiten total aufblühen.
Eine ganze Weile hat mich das sehr irritiert und ich fragte mich:
„Warum ist das bei mir nur so verdreht?“

Und dann stand ich 2015 das erste Mal an einem Sommerurlaubsort nach meinem Geschmack. Oslo. 8 Grad. Starker Wind.
Und wie ich da so lief, bei Kälte, Nieselregen mit meinem grünen Schirm, kam Sie ganz plötzlich: Die Tiefen-Entspannung und Zufriedenheit.
„Wirklich seltsam“ dachte ich.
„Entschuldigung. Bei Ihnen ist da was verdreht“ meinte ein Passant freundlich und zeigte auf meinen Schirm, der sich- vor lauter Wind – etwas gelöst und um sich selbst gewickelt hatte.
„Stimmt! Bei mir ist da einfach etwas verdreht“ lachte ich.
Und freute mich, dass ich Sie endlich genießen konnte:
Meine verdrehten Glücksgefühle.
Meinen verdrehten Charakter.
Meine verdrehten Eigenschaften.
Und dann schmiss ich meinen verdrehten Schirm in den Müll und besorgte mir einen Neuen.
Naja.
Irgendwo hat auch die Verdrehtheit mal Grenzen.

Wie ich quasi schon auf das Licht zulief – Schlüssellos unterwegs Teil 2

Ein Frühlingsfest, eine Johanna, eine gesperrte EC-Karte, ein fast leerer Handy Akku und ein Haustürschlüssel, der noch zuhause lag: Es gibt Abende, da passt einfach alles. Manchmal eben nur nicht so, wie man das gerne hätte. Und doch glaubte ich zu dieser Stunde noch an das Glück in all diesem Unglücken. Das Glück kam auch – nämlich in Form einer Nachricht von meinem Mitbewohner direkt auf mein Handy: „Ich bin daheim, bin extra mit dem Taxi gefahren. Du kannst also jetzt wieder nachhause kommen.“
Ich war erleichtert, dass ich die Nacht offensichtlich doch in meinen eigenen vier Wänden verbringen durfte.
„Du kommst jetzt also wieder rein?“ hakte Corinna nach. „Klar“, strahlte ich bis über beide Ohren. Und so trat ich die Heimreise an und stand bereits nach kurzer Zeit mit piepsendem Handy, das inzwischen den Warnhinweis „Bitte laden Sie den Akku auf“ anzeigte, vor meiner Tür.
Ich klingelte. Einmal. Zweimal. Zwanzigmal.
Nach ca. einer Viertelstunde zweifelte ich langsam daran, dass mir mein Mitbewohner tatsächlich nochmal die Haustür aufmacht und begann mich zu fragen: „Was mache ich jetzt bloß? So ohne Geld? Und ohne Schlüssel?“
Ich kam zu dem Entschluss, dass mir in dieser Situation nur eines helfen kann: bitterliches Weinen. Und so tat ich das. Offenbar so dramatisch und Geräusch-intensiv, dass mich ein Bewohner des Hauses hörte. Er machte auf und ließ mich – nämlich eine schluchzende Person mit weißem Kunstfellmantel und einem riesigen Blumenkranz auf dem Kopf – ins Haus hinein. Im Nachhinein betrachtet ziemlich schockierend, wen oder was die Nachbarn da einfach so (ohne groß Fragen zu stellen) ins Haus lassen. Aber gut – ins Treppenhaus hatte ich es geschafft. Und versuchte nun zunächst meine eigene Haustür aufzutreten. Es sah wahrscheinlich relativ unelegant aus, wie ich da immer wieder gegen die Tür hüpfte…und ich trotzdem nichts erreichte, außer einen blauen Fleck am Knöchel und die Gewissheit, keine gute Kriminelle abgeben zu können.
Mein Handy piepste erneut und deutete an, dass es jede Sekunde ausgehen würde. Also nutzte ich die letzte verbleibende Möglichkeit, rief den Schlüsselnotdienst an, schrie meine Adresse in mein Handy – bevor sich das Gerät von selbst abschaltete – und hoffte, dass der Schlüsselnotdienst sich meine Adresse und meinen Ernst der Lage rechtzeitig notieren konnte. Ja, ich hoffte auf den Retter in der Not – der sich dann nach 15 Minuten in Form eines Schlüsselnotdienstmannes zeigte.
Ich jubilierte und freute mich über diesen Retter in der Not. Das jubilieren ließ nach, als dieser Retter erklärte, dass er über 400€ für das Öffnen der Tür verlangen musste. „Über 400€???“ rief ich und ergänzte – natürlich ohne zu dramatisch zu werden – „Dann möchte ich lieber, dass die Tür verschlossen bleibt. Bitte lassen Sie mich einfach hier sterben. Vor meiner Haustür. Allein und ohne Handy. Und so ganz ohne etwas Essbares“ Ich schluchzte noch ein bisschen, denn das passte so herrlich gut zu meiner aktuellen, höchst dramatischen Lage. „Ich kann Sie hier doch nicht einfach sitzen lassen!“ erklärte der Schlüsselnotdienstmann. „Doch, das können Sie“ meinte ich. „Sie können einfach gehen. Ich komm schon klar. Vielleicht überlebe ich es nicht, ich werde eventuell hier draußen verhungern. Aber jeder hat ja bekanntlich sein Päckchen zu tragen.“
„Ooooookay“ rief der Schlüsselnotdienstmann, fluchte leise und tippte in sein Gerät alle Rabatte ein, die man so von einem Schlüsselnotdienstmann bekommen konnte. Und nachdem ich also im Schlüsselnotdienstmannsystem als „Minderjähriger schwerbehinderter Student“ hinterlegt wurde, waren die Kosten gleich nur noch halb so hoch.
„Super, dann öffnen Sie jetzt die Tür“ drängelte ich und wurde innerhalb 10 Sekunden in meine Wohnung gelassen. 10 Sekunden. Ganz ehrlich, diese Einbrecher-Skills sollte ich mir für den nächsten Ausflug ohne Haustürschlüssel mal zeigen lassen.
Und so war ich wieder zuhause. Und fand meinen Mitbewohner. Seelig ruhig schlafend in seinem Bett!!!Ich knallte wütend seine Zimmertür zu – worauf er es trotzdem wagte, einfach weiter zu schlafen.

„Oh Johanna, ich kann mir vorstellen, wie sehr Du Deinen Mitbewohner das noch spüren lässt, dass er Dich nicht gehört hat“, meint mein Cousin Philip am nächsten Morgen bei einem Spaziergang durch die Wilhelma, nachdem ich ihm alles erzählt hatte.
„Zu recht“ entgegne ich und schmiede bereits Rachepläne.
„Du weißt aber schon, dass es eigentlich DEINE Schuld war!?“ fragt er. „Ich meine, DU hast den Schlüssel vergessen, DU hattest den Akku des Handys nicht richtig geladen. DU hast die PIN Deiner EC-Karte falsch eingegeben. Und DU hast Dein letztes Geld für einen Blumenkranz für die Haare ausgegeben.“
„Du kannst das ja gar nicht verstehen…wie das so ist. Wenn man vor der Tür steht. Ohne Essen. Ohne Trinken. Das Leben zieht an einem vorbei. Und der Mitbewohner hört einen einfach nicht“ schluchze ich.
Philip lacht: „Ach Johanna, wir wissen doch beide, dass Du manchmal gerne alles etwas dramatisierst. Gerade wenn Du nichts zu essen bei Dir hast.
„Auch ohne Essen – Ich dramatisiere NIE etwas“ rufe ich empört und schmeiße mein Eis, das mit Philip gerade erst ausgegeben hat, wütend auf den Boden.
Und dann kommen mir die Tränen.
Denn der Weg war noch weit, bis nachhause.
Und so ganz ohne Eis würde ich sicherlich elendig verhungern.
Das ist mal sicher.

 


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No time, baby – Schlüssellos unterwegs Teil 1

Ein einziger Tag kann so viele Überraschungen für Dich bereithalten. Du kannst zum Beispiel ganz unerwartet einen Heiratsantrag bekommen (wenn Du Dich davor bereits in einer Beziehung befindest, erhöht das die Chancen enorm). Du kannst an einem Tag auch plötzlich im Lotto gewinnen (dazu dann am besten Lotto spielen). Die wirklich überraschenden Wendungen nimmt der Tag aber erst an, wenn Du Deinen Haustürschlüssel zum ungünstigsten Zeitpunkt überhaupt zuhause liegen lässt. Ganz ehrlich. Habe es ausprobiert. Erst letzte Woche.
Herausgefunden, dass sich der Schlüssel nicht wie gewohnt in meiner Tasche sondern noch auf der heimischen Kommode befindet, habe ich es erst, als der Freitägliche Feierabend bereits kurz bevor stand. „Ein Glück habe ich noch zwei Mitbewohner mit Schlüssel und dem Hang, immer vor mir zuhause zu sein“ freute ich mich und hielt mich für einen riesigen Glückspilz. Das war kurz bevor mir mein Händchen für das besondere Timing wieder einfiel – und damit die Tatsache, dass der eine Mitbewohner ausgerechnet an diesem Wochenende bereits am Bodensee residierte. Auch Mitbewohner zwei war bereits lange im Feierabend und hopste glücklich und zufrieden in einem Zelt auf einer Bierbank auf dem Frühlingsfest umher.
„Ist ja super“, jammerte ich und sah mich selbst ebenfalls auf- und ab hopsen. Nämlich um eine offene Feuerstelle auf einem Stuttgarter Schrottplatz. Mit diesen Handschuhen, die nur die Hälfte der Finger bedecken. („Wo bekommt man die eigentlich her?“)
„Ist doch suuuper“, grinste meine Freundin Corinna – die offensichtlich den Ernst meiner Lage noch nicht so ganz begriffen hatte. „Dann hast Du doch jetzt jeden Grund mit mir und meinen Freunden aufs Frühlingsfest zu gehen.“ Sie reichte mir ein goldenes Bändchen für ein Frühlingsfest-Zelt und meinte: „Komm dann einfach nach!“.
Und Sie hatte ja irgendwie Recht. Ich war mir ziemlich sicher: Sich auf dem Frühlingsfest im warmen Zelt mit Freunden zuzuprosten und die Zeit, bis ich wieder in die Wohnung kam, mit Schunkeln zu verbringen, das klang doch irgendwie verlockender, als die Sache mit der offenen Feuerstelle.
Ich war wieder happy – bis mir diese eine Sache mit meinem furchtbaren Timing wieder einfiel…nämlich als es sich in der Kaffeemaschine widerspiegelte: Das wohl denkbar schlechteste Frühlingsfest-Outfit, das ich für diesen Tag gewählt hatte. Ein weißes Kleid, die unbequemsten Schuhe, eine riesige Handtasche – die fast schon als Reisetasche durchgehen könnte – und zu guter Letzt (als wäre das nicht schon genug) trug ich meinen riesigen, empfindlichen, weißen Kunstfellmantel.
„Ist doch gar nicht schlimm, SO auf das Frühlingsfest zu gehen“, sprachen die Worte einer Kollegin. Ihr auf mich gerichteter Zeigefinger und ihr beherztes, lautes Lachen sprachen jedoch eine andere Sprache. Und so trottete ich, so unpassend gekleidet, Richtung Wasengelände und fragte mich, was ich tun könnte, um meine Situation etwas zu verbessern.
Ich lief in den nächsten H&M, legte mein letztes Bargeld für einen übergroßen Blumenkranz hin und band ihn mir ins Haar. In dem hintersten Eck meiner riesigen Tasche fand ich noch einen Lipliner, den ich kurzerhand als Lippenstift missbrauchte.
Ich war zufrieden. Ich sah nun nur noch zu 95% unpassend für ein Festtagszelt aus. Auch wenn man über die Kombi von Blumenkranz und Kunstfellmantel hätte streiten können. Im Frühlingsfestzelt angekommen stand ich dann da. Zwischen Maßkrügen, Dirndln und Lederhosen. Ich – mit meinen Kunstblumen im Haar und dem riesen Mantel – und machte einfach das Beste daraus. Ich schunkelte drauf los und genoss die erste Maß Weinschorle in kürzester Zeit. „Ich muss aber noch an den Geldautomaten, bisschen Bargeld holen“ rief ich Corinna zu. „Aber das mach ich einfach, wenn ich ausgetrunken habe“. Oh ja, da war es wieder – dieses unglaublich schlechte Timing. Denn hätte ich das Bargeld direkt geholt – bevor ich einen Liter Weißweinschorle in meinen Körper einflößte – so hätte ich vermutlich spätestens beim 2. Mal den korrekten Pin meiner EC-Karte eingegeben. So aber habe ich 3 Mal die falsche Zahlenkombination gewählt und die Karte wurde gesperrt.
„Kein Bargeld UND kein Haustürschlüssel“, seufzte ich Corinna zu. Und mein Handy piepste passenderweise bedrohlich. „Achja. Und mein Akku ist auch gleich leer!“. Ja. Mieses Timing und so.
In diesem Moment läuft mir ein attraktiver Lederhosenträger über den Weg. Er lächelt mich an und meint: „Ganz ehrlich: Das weiße Kleid und der Blumenkranz im Haar. Das sieht so toll aus. Und damit stichst Du absolut aus der Masse hervor“.
Ich erröte und freue mich über das Kompliment, als er weiter erklärt: „Wenn ich nicht schwul wäre…“
Okay. Was ist nur los mit diesem Tag?
„Wie lange stehst Du schon auf Männer?“ frage ich Ihn.
„Ähm…schon ewig lang, wieso?“ fragt er mich irritiert.
„Ach, nur so“ freue ich mich, erleichtert darüber, dass er nicht erst heute beschlossen hat schwul zu sein.
Diesmal liegt es nicht an meinem schlechten Timing.
Ich lachte.
Drehe mich selbstbewusst um.
Genau in dieser Sekunde, als eine Bedienung mit einem Tablett voller halber Hähnchen an mir vorbei läuft.
Das Geschirr klirrt.
Sag ich doch die ganze Zeit. Mieses Timing!

 


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Und dann ist da noch…Yoga mit Heidi & Elena

Yoga. Für mich ein bisher doch sehr unerforschtes und unbekanntes Gebiet, um das ich einen großen Bogen gemacht habe. All die Über-Yogis mit Ihren langgestreckten, biegsamen Körpern, die gleichzeitig eine solche Eleganz und Ruhe ausstrahlen… Nö, so sehe ich beim Sport definitiv nicht aus. Schon gar nicht, wenn mein rechter Fuß hinter meinem linken Ohr liegt.
Durch einen Blogger-Workshop habe ich dann Heidi kennengelernt. Ein Yogi, die es direkt (und über Ihren Blog „Kurmasana“) schaffte, mich mitzureißen und zu denken: „Vielleicht sollte ich das mit dem kunstvollen Verbiegen doch mal testen!“
Was für ein Glück, dass Heidi – zusammen mit Ihrer gleichgesinnten Freundin Elena – jeden Freitag im Wechsel den Kurs „Power Vinyasa“ im Mamaspa anbietet.


Und so ließ ich es mir nicht nehmen und besuchte vergangenen Freitag den Kurs von Elena. Ich gelangte in einen gemütlichen Vorraum, der schon ein bisschen Yoga-Stimmung vermittelte. Ich war ziemlich spät dran, aber Elena war sehr gelassen und entspannt und wartete ohne zu murren ab, bis ich mich endlich in meine Sportkleider geschmissen und mir eine Yoga-Matte geschnappt hatte. Da ich nun mal immer relativ spät dran bin, war ich gleich positiv beeindruckt von so viel Gelassenheit. Noch beeindruckter war ich, als uns – zu unseren Yoga-Matten – auch noch Decken, Kissen und Augenkissen gereicht wurden. Das alles sah einfach so unglaublich gemütlich aus und erweckte bei mir sofort verzückte Erinnerungen an mein Bett und an ein ausgedehntes Schläfchen.


Doch wer nun denkt (und ja, ich muss zugeben, ich dachte daran) dass nun 75 Minuten Tiefschlaf folgen würden, der irrt. Denn die Übungen, die Elena mit uns gemacht hat, hatten es in sich, ohne aber zu überfordern oder zu irritieren. Und auch, wenn Sie vorgab: „Nun das Bein gerade nach oben strecken“ und man sich heimlich fragte: „Welche Gelenke muss ich aushebeln können, um dieses Bein nun in dieser Position nach oben zu bekommen?“ kam man sich doch nie doof vor. Vielleicht, weil man in dem Moment viel zu sehr in die Yoga-Welt abgetaucht ist. Oder weil gar keine Zeit blieb, sich selbst und seine Ungelenkigkeit zu hinterfragen: Die ganzen 75 Minuten glitten dahin, in einer ausgewogenen Mischung aus Anspannung und Entspannung.Und was während des Kurses seinen Anfang fand, hatte mich nach dem Kurs voll und ganz eingeholt: Gelassenheit, Zufriedenheit und der Muskelkater, der auch nicht zu verachten war.
Und jetzt sitze ich hier, schreibe diesen Bericht über den Kurs bei Elena, den ich wärmstens empfehlen kann und freue mich, auch mal ein Stündchen bei Heidi auszuprobieren. Und muss doch kurz einmal raus, an die frische Luft, ab in die Kälte.
Denn es hat mich gepackt: Das Yoga-Fieber.

 

 

Für wen?  Geeignet für Anfänger und Fortgeschrittene
Kosten?    Drop-In: 10€ / 10er-Karte: 90€
Wo?           Yoga Love (Mamaspa), Augustenstraße 2, Stuttgart
Wann?      Jeden Freitag, 18:30 – 19:45 Uhr

Weitere Infos gibt es über www.lightbomb.de oder über www.kurmasana.de

Blendend ausgeblendet

Schon früh habe ich angefangen, den passenden Sport für mich zu finden. Bereits mit 4 stand ich im Ballettunterricht. Selbstverständlich war ich mit meinen kurzen Haaren und meinen schokoladenbelasteten Speckbeinchen nicht gerade prädestiniert dafür, einmal als Tänzerin groß rauszukommen. Groß wurde ich ja bekanntlich nie. Und Balletttänzerin wurde ich auch nicht. Das blaue Tutu, der weiße, fließende Rock, die rosa Spitzenschuhe und die weißen Ballettschühchen. All das Equipment sah unvergleichlich bezaubernd aus. Und verlor gleichzeitig so dermaßen an Anmut, sobald ich drinsteckte, sodass ich nach ein paar Jahren harten Trainings den Ballettschuh an den Nagel hängte. „Werd‘ doch Funkenmariechen“, schlug mein Opa damals entzückt vor, als ich am Mittagstisch mit meiner Mama darüber nachdachte, welcher Sport für mich der richtige sein könnte. Wer nicht ins Balletttraining passt, der passt auch ziemlich sicher nicht in die Garde – auf diesen Gedanken hätte man schon kommen können. Nicht aber mein Opa, der stolze Präsident vom Karnevalsverein meiner Heimatstadt. Und auch nicht ich, der größte kleine Fan meines Opas. Und auch nicht meine Mama, die sich freute, dass ich überhaupt Ambitionen zeigte, einen weiteren Sport auszuprobieren. Außerdem ist meine Mama noch heute der größte Fan von mir. Das wissen aber nur Sie und ich. Gesagt hat Sie es zwar nie, aber man sieht’s in Ihrem Blick.

Und so stolzierte ich, gemeinsam mit einer damaligen Freundin  dank meiner Überredungskünste („Du kommst mit oder ich rede nicht mehr mit Dir“) ins Gardetraining. Das Training ging eine Stunde. Ich beschloss bereits nach 40 Minuten das Thema Garde doch den anderen Mädchen zu überlassen und mir einen alternativen Sport zu suchen. „Spiel doch mal Tennis!“ motivierte mich meine älteste Schwester Maria. Sie selbst spielte Tennis und ich musste schon zugeben, dass Sie in Ihren Sportsachen auf dem Tennisfeld, mit dem großen Schläger, unglaublich sportlich aussah. Was ich damals noch nicht wirklich begriff: Im Gegensatz zu mir war Sie auch sportlich. Für mich stand jedoch fest: Ich spiele Tennis. Auch diesem Versuch stimmte meine Mutter zu und brachte mich zum ersten Training. Ich fand Gefallen daran, endlich mal etwas mit Action zu machen. Und ich ging auch wirklich gerne ins Tennis. Damals. Ich würde vermutlich heute noch gehen, wenn dieses Netz in der Mitte nicht gewesen wäre. Und die Linie, die das „Aus“ markierte. Ach ja, und die Regeln. Und der Gegner. Und der Ball war auch manchmal uncool. Und so kamen wir, nämlich ich, meine Mama, meine Trainerin und alle, die mir mal beim Training zuguckten, zu dem Schluss, dass ich nicht fürs Tennis geboren war. Das machte aber gar nichts. Denn zu dieser Zeit hatten wir in der Schule gerade Badminton- und Fußball-Angebote, die ich mit vollem Engagement wahrnahm. Ich war auch ziemlich gut, fand ich. Das fand mein Lehrer auch. Und er meinte weiter, dass ich wirklich, wirklich gut werden könnte, wenn ich mehr zu einem Teamplayer werde und nicht immer alle Foule. Besonders die Fouls an meiner eigenen Mannschaft wurden mir erschreckend übel genommen. Ich wurde immer sofort vom Feld genommen, musste von der Bank den anderen beim Spielen zuschauen und einmal wurde ich sogar mehrfach (!) dazu genötigt, mich bei meiner besten Freundin Laura entschuldigen, weil Sie mit mir im Badminton-Doppel spielte und ich versehentlich Ihre Nase mit meinem Schläger blutig schlug. Ich fand, dass ich dieses Versehen wirklich gut mit der Tatsache erklären konnte, dass Laura mich um den Gewinn gebracht hatte, in dem Sie nicht zum Ball rannte. Mein Trainer befand, dass man trotz dem Willen zu gewinnen mit mehr Rücksicht spielen müsse. (Das wir gewonnen haben, das zählt wohl so gar nicht, was!?)
Und so kam es, dass Badminton und auch Fußball die beiden Sportarten wurden, von denen ich ganz unfreiwillig verbannt wurde. Zu meinem Bedauern. Und zur Erleichterung meiner Freundin Laura und Ihrer Nase.

Rückblickend betrachtet, scheine ich einfach für Sport nicht gemacht zu sein. Oder gibt es einfach keinen Sport, der für mich gemacht ist? Und ja, ich habe schon mehrfach nachgehakt: Schlafen, Shoppen und Stundenlang in High Heels zu laufen sind aktuell (noch) keine anerkannten Sportarten. Doch ich arbeite bereits daran.
Und bis es soweit ist, frage ich mich: Welcher Sport könnte mir mehr Erfolg versprechen, wo ich doch alle gängigen Sportarten bereits in Erwägung gezogen hatte?
„Also, ich war da letztens in Bikram-Yoga…“ höre ich meine Kollegin Sabrina berichten und google sofort drauf los. So, so. Yoga bei 40 Grad. Klingt mal nach etwas außergewöhnlichem, etwas, von dem ich vorher noch nie gehört hatte und bei dem die Wahrscheinlichkeit, versehentlich andere Nasen blutig zu schlagen, sehr gering scheint. Und so schnappe ich mir meine Freundin Bridget und mache mich auf den Weg ins Bikram-Yoga-Studio.

„Mannomann, Yoga bei 40 Grad. Das ist bestimmt nicht ohne!“ meint Bridget.
„Absolut!“ Stimme ich ohne zu zögern zu und bin voll und ganz davon überzeugt, hier den richtigen Sport für mich gefunden zu haben.
Das glaube ich wirklich.
Bis mir beim Betreten des Studios siedend heiß etwas einfällt:
„Ey Bridget“ flüstere ich. „Du…eigentlich hasse ich ja Hitze!“
„Hitze ist nur ein Gefühl, blende es einfach aus“, interveniert die Yoga-Trainerin in meditativer Gelassenheit.
„Okay, das versuche ich“, lächle ich entspannt zurück.
WOW! Wie ich diesen Sport einfach sowas von rocken werde!
Motiviert stolziere ich in die Umkleide und freue mich aufs Yoga, aufs Training, auf die Hitze und aufs Ausblenden.
Bis ich meine Sporttasche öffne und bemerke, dass ich in der morgendlichen Hektik offenbar meine lange Thermo-Jogginghose und mein Thermoshirt (eigentlich geeignet für kühle Wintermorgende) eingepackt hatte.
„Jetzt nicht wirklich“ stöhnt Bridget und verrollt bei meiner Kleiderauswahl die Augen. Sie schüttelt ungläubig den Kopf.
Doch das blende ich einfach aus.
Oh. Ich wusste es.
Ich bin schon jetzt Profi. Irgendwie.

 


Photo Credits: https://www.flickr.com/photos/racheldtaylor/2345700632

Und dann ist da noch…Das Zimt & Zucker

Klar, über Zimt & Zucker auf Maultaschen lässt sich streiten (auch wenn es bei mir durchaus als Geheimtipp und Delikatesse durchgeht). Zimt & Zucker als Café in Stuttgart hingegen ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Hier sitze ich gerne mal mit meinem Laptop, schreibe eine neue Kolumne und trinke genüsslich und in Gedanken versunken einen Punsch. Oder zwei Punsche…Punschs…Pünsche…
Und während ich mich jetzt wirklich Frage, wie die Pluralform von „Punsch“ ist, kann ich nur weiter von dem Angebot schwärmen. Kuchen gibt es nämlich  nicht nur in lecker, sondern auch in glutenfrei. Und auch der Mittagstisch – der wahrlich nicht zu verachten ist – ist stehts als „Vegan“ oder „Glutenfrei“ ausgezeichnet. Ausgezeichnet finde ich.
Doch es ist letztendlich nicht der Punsch (ich glaube, es gibt den wirklich nur in Singular), der mich in das Café lockt . Auch nicht der Kuchen.
Nein, es ist die Atmosphäre, die mich dazu verleitet, immer wieder hinzugehen. Und auch Besucher, die zu mir nach Stuttgart kommen, werden von mir regelmäßig ins Zimt & Zucker entführt.
Ist das nicht langweilig? Absolut nicht. Denn da der Gast zur heißen Schokolade auch gleich den Stuhl unter sich und das schöne, große Bild an der Wand, kaufen kann, sieht es im Zimt & Zucker immer anders aus. Regelmäßig wird das Inventar neu aufgestockt und – passend zu den neuen Möbeln – neu dekoriert und gestrichen. Es sieht also immer anders aus, in meinem Lieblingscafé im Heusteigviertel und hinterlässt so immer einen ganz neuen Eindruck. Nur eines bleibt immer gleich: Das gute Gefühl!
Die einzige Frage, die ich noch habe: Wann gibt es diese köstlichen Pancakes denn auch in glutenfrei?
Und bis mir diese Frage beantwortet wird, nehme ich zu dem großen Kaffee einfach die Blumenvase da hinten, statt der Cupcakes und freue mich zumindest einmal über die gesparten Kalorien.
Und zur Belohnung kaufe ich mir einfach um die Ecke zwei Bällchen Eis.

 

 

Das Café Zimt & Zucker findet Ihr
in der Weißenburgstr.2c, 70180 Stuttgart
http://zimtundzucker-stuttgart.de/

Bilder: Zimt & Zucker

Joana, jetzt mal Butter bei die Wassertiere!

Erst kürzlich machte ich mich auf, um einmal wieder meine Skifahrerkünste zum Besten zu geben. Vor der Abfahrt ahnte ich nur leider 3 Dinge nicht: Erstens: Meine Skifahrerkünste Skifahrerkünste zu nennen glich Ironie pur, denn, nein, von einer „Kunst“ kann bei mir hier leider keine Rede mehr sein. Zweitens: Eine Skijacke heißt deswegen Skijacke, weil man sie zum Skifahren anziehen sollte. Und nicht, um Sie zuhause zu lassen und groß zu Tönen: „Haha, wie Ihr Euch einfach alle so kaputtschwitzen werdet. Gut, dass ich keine Skijacke dabei habe!“ Drittens: Der Song „Joana, geboren um Liebe zu geben“ kann und WIRD in Dauerschleife gespielt, wenn eine Johanna im Skiurlaub dabei ist. Und wenn diese Johanna um einen anderen Song bittet, wird der Song „Joana“ lediglich durch den Song „Give me hope, Joanna“ ersetzt. Und wenn Du selbst tätig wirst und die Boxen abstöpselst, fängt die ganze Truppe einfach an zu singen „Kannst Du pfeifen Johanna?“ von den Comedian Harmonists. Ja, mit dieser Songauswahl muss sich eine Johanna im Skiurlaub begnügen, mehr wird da nicht kommen.
Was aber sicher kommen wird, ist Hohn und Spott und viele, viele Sprüche, wenn dann auf der Piste bei gefühlten Minus 20 Grad und eisigem Wind die fehlende Skijacke zum Thema wird. „Ohhhhh ja, wir werden uns ja sooo kaputt Schwitzen“, imitierte mich Vivi höchst Sarkastisch, während ich mich heimlich fragte, ob ich es wohl mit steifgefrorenem Körper noch schaffen würde, Sie in den Schnee zu stupsen. Ich schaffte es nicht. Was aber wahrscheinlich gar nicht so an mir lag, sondern eher an Vivi, die den Umgang mit Ihrem Snowboard perfekt beherrschte. „Wie ein Fisch im Wasser “ musste ich laut und neidlos anerkennen, als Sie die Piste heruntersauste, worauf der Rest unserer Skitruppe fast von selbst in den Schnee kippte – vor Lachen. „Wie ein Fich im Wasser“, lachte Michael und verdeutlichte mir einmal mehr, dass mir durch das komplette Wochenende nun Witze bezüglich meiner Aussprache drohten, nur wegen diesem dummen Satz mit diesem dummen Fisch. Die Skitruppe ist nämlich der festen Überzeugung, dass ich ein SCH immer als CH ausspreche. Was mir dann stets als sprachliche Behinderung angekreidet und als Startschuss verwendet wird, wirklich jedes Wort mit SCH mit voller Absicht falsch auszusprechen. „Gibt es heute Abend eigentlich Fleich? Und bringt Ihr das dann an den Tich?“ ruft Walter mir entgegen und lacht. Alle lachen. Ich lache nicht, sondern sause die Piste hinunter und frage mich, während der eisige Fahrtwind durch meine nicht-vorhandene Skijacke dringt: „Wie konnte es soweit kommen? Und wie kann ich diesen Witz in Dauerschleife nur wieder abstellen?“
Zurück auf der Hütte hatte sich dann alles wieder akklimatisiert. Die Witze der Reisetruppe wurden weniger, meine Körpertemperatur schaffte es wieder aus dem Gefrierpunkt heraus und ich fiel erschöpft ins Bett. „Wenigstens schlafen kann man in Ruhe“, dachte ich beim dahinschlummern und lächelte entspannt. Hätte ich gewusst, dass mir noch am gleichen Abend die Zimmertür ausgehängt, neben mich gelegt und wieder einmal „Joana“ in Dauerschleife in ca. 120 dB gespielt wird (auf Wikipedia steht, dass 120 dB eine gehörschädigende Wirkung haben. Und da der Song alleine schon eine Gehörschädigende Wirkung hat, werden es wohl so 120 dB gewesen sein), ja, hätte ich das gewusst, ich hätte diese kurzzeitige Entspannung wahrscheinlich doppelt genossen.
Und so finde ich mich, wie schon angekündigt, nur kurze Zeit später in meinem Bett wieder. Zu meiner linken: Die Tür, die eigentlich in die Halterung am Türrahmen gehörte. Zu meiner rechten: Das Fenster, aus dem gestern erst meine Bettwäsche mitsamt meiner Laune hinausgeschmissen wurde. Zum Glück holte Vivi, die Ihre Bettwäsche ebenfalls vor unserem Fenster in der freien Natur fand, meine Bettwäsche gleich wieder mit ins Zimmer und rettete damit auch meine Laune.
Aber dennoch: Ausgehängte Tür? Ich konnte es nicht glauben! „Ihr hängt jetzt nicht wirklich eine Tür aus?“ fragte ich ungläubig in die Runde, hielt meine Bettdecke mit aller Kraft um mich herumgewickelt, damit Sie mir nicht wieder entwendet wurde und sah dabei ein bisschen aus, wie das was wir am Abend zuvor gegessen hatten: Ein Wrap.
„Das mussten wir“, grinste mir Stefan entgegen. „Wegen der Statiküberpüfung und so!“ Die anderen nickten einstimmig. Und ich schüttelte nur den Kopf. Doch jetzt wo ich wach war, konnte ich mich auch zu den anderen gesellen (ohne Tür war mein Zimmer ja sowieso nicht mehr ganz so existent). „Ich setz mich mal zu Euch an den T… Essplatz“, korrigierte  ich mich gerade noch rechtzeitig, als ich bemerkte, dass bei der Ankündigung des Wortes „Tisch“ alle schon die Ohren spitzten. „So, so. Jetzt werden alle Worte mit „sch“ wohl umgangen?“, fragte Vivi lachend und ergänzte: „Und was schwimmt im Meer und wird so gern geangelt?“ „Na…Wassertiere“, antworte ich locker. Und innerlich fühle ich mich jetzt so überlegen.
Alle sind still, keiner kann mehr einen Witz machen. „Willst Du jetzt immer so reden?“ fragte mich Michael besorgt. Man merkte, er hatte Angst, dass er nun um seine zukünftigen Witze gebracht wurde.
„Das ist doch nicht Dein Ernst!“ ruft Walter.
„Das ist doch jetzt nicht wirklich Dein Plan!?“ ruft Stefan.
„Nie wieder „Fisch“ zu sagen, willst Du das wirklich?“ fragt Vivi entsetzt und ergänzt grinsend: „Jetzt mal Butter bei die Wassertiere!“
Im Hintergrund startet wieder der Song: Joana, geboren um Liebe zu geben.
Und ich seufze auf und frage in die Runde: „Was habe ich nur falch gemacht?“
Wieder lachen alle.
Ich stapfe in mein Zimmer.
Und läge die Zimmertür nicht noch immer ausgehängt in meinem Bett, ich hätte Sie wohl zugeknallt.
Ich Chwörs.

 

 


 

Photo Credits: https://www.flickr.com/photos/timeyres/16403129589

 

 

 

 

Jetzt schlägt’s Viertel Dreizehn!

Uhr

Zeit. Sie vergeht einfach so schnell. Ganz besonders an Tagen, an dem die Uhr auf Sommerzeit gestellt wird und wir damit innerhalb einer Millisekunde gleich eine ganze Stunde verlieren. So ganz habe ich das mit dieser Uhrzeitumstellung auch noch nicht verstanden. Wenn man die Uhr „vor“ stellt, in welche Richtung stellt man Sie dann? Und ist das nicht doch eher zurück?
Ich höre mich etwas um und bekomme schnell den Eindruck: Vielen Leuten geht es so, dass Sie genervt sind, wenn die Uhren umgestellt werden müssen. Obwohl sie alle in der Regel Uhren besitzen, bei denen das zum größten Teil automatisch passiert. Ich denke nicht, dass ich noch erwähnen muss, dass ich hier – mit meinem Smartphone – mal wieder die Ausnahme bilde. Aber nicht nur mein Smartphone verlangt von mir Steinzeitgemäß das manuelle Umstellen der Uhrzeit (Wo waren nochmal die Einstellungen? Und wie viel Uhr haben wir denn jetzt eigentlich genau?) sondern auch meine Armbanduhr macht so ganz ihr eigenes Ding. Damals – am Handgelenk meines Opas – hat die Uhr immer perfekt dafür gesorgt, dass Monsieur pünktlich wie die Maurer zu vereinbarten Terminen erscheinen konnte. Nie hat er auch nur eine Minute versäumt, nie musste er ratlos in der Gegend Menschen ansprechen, um nach der Uhrzeit zu fragen. Nie kam er morgens in die Verlegenheit, sich die Frage stellen zu müssen: „Ist die zusätzliche Goldkette und das Goldarmband zusammen mit dem goldenen Paillettenblazer jetzt zu viel des Guten in Kombination mit der Gold-Silbernen Uhr?“. Mein Opa trug von Haus aus eher keine Goldketten oder Paillettenblazer. Ich hingegen schon. Und genau wie eben jene Goldkette, eben jenes Armband und jeden Ring, trage ich auch Uhren in erster Linie als Accessoire. Dies ist ein Fakt, den viele meiner Freunde und Bekannte noch nicht so ganz verstanden haben. Wenn ich ihnen beispielsweise zuwinke, dabei am Handgelenk die große, gold-silberne Uhr meines Opas sichtbar wird und ich frage: „Weißt Du zufällig, wie viel Uhr wir haben???“ Oft sehe ich dann nur in ratlose und fragende Gesichter, die zunächst auf mich, dann auf mein Handgelenk und die Uhr, dann wieder in mein Gesicht blicken. Der Verwirrung zum Trotz erkläre ich dann nur kurz, wie es ist: „Meine Uhr ist nicht gestellt, die ist nur Accessoire.“ „Achsoooo, na dann. Verstehe“ kommt dann oft. Und ich weiß, dass sie nicht verstehen. So verstehen sie nicht, dass ich bisher (in den letzten 5 Jahren) noch keinen Nerv dazu hatte, mich darum zu kümmern, wie man diese Uhr eigentlich einstellt. Sie verstehen auch nicht, dass ich es intuitiv stimmiger finde, eine halbe Stunde lang (wenn’s gut läuft) in meiner Tasche nach meinem Smartphone zu kramen, um erst dann zu sehen, wie viel Uhr es gerade ist. Meistens bleibt mir dann selbst das verwehrt, weil mein Handy doch irgendwo anders ist. Im Kühlschrank zum Beispiel. Oder im Kellerklub hinter der Bar in der Fundkiste.
„Haben Sie denn keine Uhr in Ihrer Wohnung?“ fragt mich sogar einmal eine Nachbarin, als Sie mich dabei beobachtet, wie ich an einem Freitag bereits zum 5. Mal in dieser Woche laut fluche, weil ich meine U-Bahn verpasst habe. „Wir haben eine riesige Uhr in meiner WG“, erkläre ich Ihr. „Da ich aber immer zu spät dran bin, habe ich diese Uhr vorsichtshalber auf 10 Minuten zu früh eingestellt. Leider habe ich mich so an diese 10 Minuten zu früh gewöhnt, dass ich daraus schnell 15 Minuten machen musste. Und so ging das weiter und weiter und weiter und…. Kurzum: Inzwischen zeigt unsere WG-Uhr nicht mehr nur die falsche Zeit an. Sie hat auch komplett an Glaubhaftigkeit verloren, keiner traut Ihr mehr über den Weg.“ Die Nachbarin hakt nach: „Warum hängt die Uhr denn dann noch da?“ „Na, weil Sie optisch doch so gut in die Wohnung passt“, schwärme ich.
Und, machen wir uns doch mal nichts vor, selbst wenn ich der Küchenuhr über den Weg trauen würde, wenn ich mein Handy mit der Zeitanzeige in meiner Hand hielte, wenn die Armbanduhr meines Großvaters die korrekte Zeit anzeigen würde, ich hätte wohl trotzdem Probleme mit der Pünktlichkeit. Kürzlich war ich dann mal total pünktlich. Der ganze Tag war durchgetaktet, damit ich um exakt 16 Uhr bei einer Freundin im Café Zimt & Zucker stehe. Mächtig stolz hatte ich akribisch darauf hingearbeitet, pünktlich zu sein. Ich fand mich ganz fabelhaft, wie ich so gut im Timing war. Bis meine Freundin mir um kurz vor 3 schrieb: „Bist Du schon drin? Ich bin gleich da“. In diesem Moment erinnerte ich mich entsetzt daran, dass wir 15 statt 16 Uhr ausgemacht hatten. Ab da war ich dann nicht mehr ganz so stolz, kündigte an, dass ich mich um eine satte Stunde verspäten würde und dass ich dann aber pünktlich um 16 Uhr am Café stehen würde. Versprochen.
Also machte ich mich fix fertig, föhnte mir rasend schnell die Haare, goss noch einmal in nullkommanichts meine verstrockneten Pflanzen (die verschrumpelte Zitrone und die braunen Blätter am Zitronenbaum zeigt deutlich, dass hier die Zeit für Bewässerung eigentlich längst abgelaufen war) und blieb erst wieder bei der Frage hängen: „Passen diese Schuhe und diese Tasche wirklich zu meiner Uhr?“ Nachdem ich diese Frage nach etlichem hin und her für mich beantwortet hatte (ja, passt. Man darf nur nicht genau hinschauen) lief ich los. Wiedermal völlig Zeitlos. Also tippte ich eine Dame neben mir an und fragte höflich: „Könnten Sie mir sagen, wie viel Uhr wir haben?“. Die Dame lächelte und antwortete: „Wir haben jetzt Viertel Vier.“
„Ah…danke!“ entgegnete ich.
Viertel Vier.
Was sollte das nun heißen? Viertel VOR Vier? Viertel NACH Vier?
Und ich kam zu dem Schluss:
Ob 15:45 oder 16:15 Uhr. Ich weiß, dass ich definitiv ein Problem mit Zeit habe.
Aber da draußen gibt es tatsächlich Menschen, die „Viertel Vier“ sagen.
Und da sieht mein Problem doch gar nicht mehr sooo gravierend aus, oder!?
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beziehungsproblematik

 

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INSPIRATION. So ein großes Wort neben einer so kleinen Johanna. Inspiration ist so eine Sache, manchmal fehlt sie einfach. Umso schlauer, wenn man vorsorgt – finde ich – und auf Inspirationssuche geht.
Meine Suche begann am Samstag, um 9:30 Uhr auf dem Blogst-Workshop in Verbindung mit der Designmesse Blickfang. Neben reichlich Inspiration war ich auch auf der Suche nach Antworten zu Fragen wie „Was gibt es noch für Blogger da draußen?“, „Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?“, „Welche Fragen kommen bei Ihnen so auf?“ und „ob ich der einzige Blogger mit einem Windowsphone bin?“. Letztere Frage konnte ich schon nach kürzester Zeit mit „Ja“ beantworten. Nämlich, als man sich kunterbunt austauschte und ich nur noch hörte „…ein super Tool, gibt’s auf alle Fälle fürs iPhone“ oder auch „…das ist ja eine praktische App zum Bloggen. Die gibt’s jetzt auch für iOS und Android“. Ich schaue enttäuscht und auch etwas wütend auf mein Windowsphone. Und gerade, als ich beschließe, dass es weg muss, bekomme ich das Gefühl, dass mein Windowsphone gleich irgendwie traurig aussieht. Natürlich, ein Smartphone hat keine Gefühle. Und mir wurde schon einmal von meiner Freundin Laura, zu diesem Zeitpunkt meine Beifahrerin, attestiert, dass ich zu Gegenständen oft eine zu tiefe Beziehung entwickele. Damals habe ich ihr vehement widersprochen. Nachdem ich aber kurz darauf mit meinem Smart steil bergauf fahren musste und mich Laura dabei beobachten konnte, wie ich das Fahrzeug tröstend am Armaturenbrett tätschelte, kam in mir doch die Befürchtung auf, dass da etwas dran ist.
„Bist Du auch bei Instagram?“ werde ich von einer Workshop Teilnehmerin gefragt. „Jein, das gibt’s bisher fürs Windowsphone nur in der Beta-Phase“, flüstere ich und halte mein Smartphone etwas von mir weg. Es ist schon deprimiert und muss auch nicht alles Negative hören. (Habe ich eventuell doch ein größeres Problem?)
„Inspiration…“ wechsele ich schnell das Thema. „…woher bekommt Ihr denn so die besten Ideen für Euren Blog?“ „Ganz oft bei der Hausarbeit“, erfahre ich von einer Bloggerin. Und denke, dass dies durchaus ein Test wert ist. Doch die einzigen Gedanken, die mir beim Küchenputz dann so durch den Kopf gehen, sind: „Mist, bin ich so ein krasser Kühlschrankmessi“ und „ob so etwas behandelbar ist?“ und auch „ob mein Kühlschrankmessiproblem eventuell auch direkt zusammen mit meinem Beziehungsproblem mit Gegenständen geheilt werden kann?“ Echte Inspiration ist doch anders. Weniger Nervenarztmäßig. Meine ich zumindest. Eine andere Teilnehmerin meint: „Unter der Dusche! Da entspanne ich und mir kommen die schönsten Ideen“. „Ha“, denke ich. Und stelle mich unter die Dusche. Natürlich nicht während des Workshops, sondern erst danach. Auf dem Workshop gab es nämlich keine Dusche.
Unter der heimatlichen Dusche angekommen, merke ich, wie mich das warme Wasser entspannt. Ich shampooniere meine Haare und hoffe, dass nun die besten Ideen vor dem geistigen Auge auftauchen. Das einzige jedoch, was IN meinem Auge auftaucht, ist ein großer Klecks Shampoo. Ich schrecke zurück, stoße gegen den Wasserwärmeregler, das Wasser wird kochend heiß. Ich schreie auf, reiße den Regler herum und sorge idiotischer Weise dafür, dass nach kochend heißem nun eiskaltes Wasser auf mich einprasselt. Ich schreie abermals laut auf (im Nachhinein bin ich etwas entsetzt darüber, wie locker und unberührt meine Mitbewohner bleiben, wenn ihre liebste Mitbewohnerin im Bad mehrmals laut aufschreit!) und verlasse das Bad. Nein, ich bin nicht inspiriert. Nur verspannt, verbrannt und gleichzeitig unterkühlt. Muss man auch erst mal schaffen.
„Jeder holt sich seine Inspiration individuell woanders“, meint eine andere Teilnehmerin. Genauso, wie auch jeder andere Themen hat, für die er sich interessiert und über die er bloggt.“ Stimmt natürlich, wie überall gilt auch bei der Inspiration: Jeder muss seine eigenen Inspirationsquellen finden. Jeder ist anders. Und so schaue ich mich um, über was so geschrieben wird. Heidi, die neben mir sitzt, schreibt zum Beispiel über Yoga (ich nenne Sie inzwischen gerne Yoga-Heidi). Eine Workshop Teilnehmerin, die mir gegenüber sitzt und unglaublicher Weise auch Heidi heißt, schreibt über Kuchen. Das ist natürlich die Kuchen-Heidi. Ist ja klar. Und eine weitere Bloggerin schreibt über Schweine. Und wenn ich so an das Aussehen meines Kühlschrankinneren denke, diesen absoluten Saustall, so meine ich, könnte ich mich mit der Schweinebloggerin irgendwie zusammentun. Hmm…obwohl. Die Schweinebloggerin ist bestimmt auch auf Snapchat aktiv. Und das gibt’s nicht fürs Windowsphone!“
Ein Ächzen reißt mich aus meinen Tagträumen. „Mist, mein Akku vom iPhone ist schon wieder leer“ stöhnt ein Mädchen im blauen Kleid auf. Ein anderes Mädel mit hochgebundenen Haaren stimmt mit ein: „Oha nee, mein iPhone ist auch leer“. In diesem Moment bekomme ich eine Nachricht von einer Teilnehmerin, die bereits auf der Heimreise ist: „Mist, Ladegerät in Stuttgart vergessen und iPhone-Akku fast leer“.
Und so nehme ich mein Windowsphone in die Hand, schaue auf den Akkustand, der noch satte 40% anzeigt, tätschle es sanft und lächle.
Es lächelt zurück. Meine ich zumindest.
Denn es weiß: Ich kann ohne Snapchat. Aber ich kann nicht ohne Windi*.

*Spitzname meines Smartphones. Ja. Richtig gelesen. Das hat ´nen eigenen Spitznamen.

Hallo, katholischer Seepferdmann

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„Ich hab‘ da so ’ne Theorie“, sage ich oft. Und die Leute seufzen. Denn meist wissen sie, was dann kommt. „Du und Deine irrsinnigen Theorien“ bekomme ich nicht selten zu hören. Und doch sind mir meine Ideen und Vorstellungen, wie etwas funktionieren kann, wahnsinnig wichtig.
Nicht selten werde ich wirklich sauer, wenn ich etwas nicht verstehe und muss dann solange darüber nachdenken, bis ich meine eigene (wenn auch manchmal etwas abstrakte und…naja…nennen wir es „kreative“) Erklärung dafür gefunden habe. „Ich halte es für essentiell“ freue ich mich, nicht zuletzt, weil ich dieses hochtrabende Wort endlich mal in einem meiner Sätze unterbringen konnte, „ja, für ESSENTIELL (wow, gleich zweimal) dass man sich Fragen stellt und dann zu seinen eigenen Erklärungen findet!“ Meine Freundin Laura lacht auf. Und ich ahne warum. „Echt jetzt, Johanna?“ grinst Sie mich an. „Ich erinnere Dich ja nur ungern an diese „Rückwärtsgang-Theorie“ von Dir.“ Und wie das eben mit der eigenen Welt so ist, man wird viel zu oft und viel zu abrupt aus ihr herausgeholt. Meist von den eigenen Freunden. „Ja…dieser Rückwärtsgang“ murmele ich. Und werde an den kleinen Haken erinnert, den es nun mal gibt, wenn man sich seine eigene Theorie zurecht legt: Denn es ist nun mal so, dass ich schon früh angefangen habe, eigene Theorien zu finden. Sehr früh. Und so kam  es, dass ich mich eines schönen Tages auf der Rückbank unseres Familien-Vans plötzlich fragte, wie es eigentlich klappt, dass ein Auto plötzlich rückwärtsfuhr. Wo es doch sonst durch das Betätigen des Gaspedals normalerweise ausschließlich vorwärts fährt. „Papaaaa“ rief ich damals mit aufgeregter Qietschstimme in Richtung Fahrersitz, um meine Frage direkt loszuwerden. Aber Papa war konzentriert und deshalb beobachtete ich lieber genau, anstatt ihn zu nerven. Und so sah ich, wie wir in unsere Straße einbogen und Papa in eine ziemlich kleine Parklücke wollte. Ich sah, wie er das Radio leiser drehte und erkannte im Rückspiegel sein hochkonzentriertes Gesicht. Er legte seine Stirn in Falten und – langsam aber stetig – fuhren wir rückwärts. Da war es für mich klar: Wenn man nur ganz intensiv daran dachte, fuhr man Rückwärts. „Nicht schlecht, Johanna Einstein“, lobte ich mich innerlich selbst, stieg, nachdem das Auto eingeparkt war, aus und war mir sicher, dass mir in dieser Welt niemand etwas vormachen würde.
Und – um nun auf den Haken meiner Theorien zurückzukommen: Ist in meinem Kopf einmal eine Theorie entstanden, fällt es mir sehr schwer, sie wieder loszulassen. Ganz besonders, weil sich eine Problematik mithilfe der Theorie in Luft aufgelöst hat und ich somit nie wieder über das ursprüngliche Problem nachdenke. Und deswegen bestand ich auf meiner Rückwärtsfahr-Theorie. Mit 5. Mit 6. Und mit 16.
Und selbst, wenn jemand daher kommt und meine Theorien widerlegen kann (wie bei der genannten Theorie spätestens in meiner ersten Fahrstunde geschehen) so hat ein Teil von mir diese eigene Erklärung so verinnerlicht, dass Sie immer noch in meinem Kopf herumschwirrt.
Und so kommt es auch, dass ich, wenn jemand von Dortmund redet, zu allererst an die Türkei denke. Denn schließlich war Erkan aus meiner 1. Klasse, gebürtiger Türke, überzeugter Dortmund-Fan. So musste diese Stadt ja irgendwo in der Türkei liegen. War ja wohl klar!
Und noch heute bin ich, ganz tief im inneren, verwirrt, wenn mir ein Mann sagt, er sei Evangelisch. Natürlich bin ich da verwirrt, hatten doch meine Eltern (Vater Katholisch, Mutter Evangelisch) ausgehandelt, alle ihre Mädchen Evangelisch zu taufen und die Jungs Katholisch (meine Mutter schien geahnt zu haben, dass Sie nur Mädchen bekommt). „Kommt eben auf das Geschlecht an“. So habe ich mir damals die unterschiedliche Religion erklärt.
Und dann telefoniere ich. Mit Jan. Und rede mit ihm über die verrückten Delikatessen Asiens. Er berichtet von Fischaugen und frittierten Skorpionen, von gebratenen Spinnen und sonstigem zubereiteten Krabbeltier. Doch erst bei dem Kommentar „und es gibt auch Seepferdchen am Spieß“ stockt mir der Atem. „Sowas geht ja gar nicht“, meine ich schockiert und erkläre: „Seepferdchen sind ganz entzückende und hilfsbereite Geschöpfe. Wusstest Du, dass das die einzigen Lebewesen sind, bei denen der Mann die Kinder bekommt?“ „Wie das wohl so gekommen ist?“ fragt Jan. Und ich überlege, denn ohne passende Antwort möchte ich uns beide auch an dieser Stelle nicht zurücklassen.
„Irgendwann kam ein männliches Seepferd zum weiblichen Seepferd und hat gesehen, wie viel Arbeit das ist, die Sache mit dem Kinderkriegen. Der Seepferdmann hatte einen besonders guten Tag und sagte leichtfertig zu seiner Frau „Komm mal her, Frau. Ich übernehm‘ das mit den Kids für Dich“. Die Seepferdfrau nahm ihn beim Wort, diesen Gentlemenseepferdmann. Und da dann alle anderen Seepferdmänner auch Gentlemen sein wollten, taten Sie es diesem Seepferdvorreiter gleich. So ist das damals passiert.“
„Ahhhh ja“ meint Jan und klingt dabei nicht sonderlich überzeugt. „Seltsame Theorie“.
„Schon“, bestätige ich. „Aber eine Theorie ist so lange korrekt, bis Sie widerlegt wird“ zitiere ich meinen naturwissenschaftlich-interessierten Freund René.
„Und ich bin auf den Tag gespannt, an dem Du mir beweisen kannst, das Seepferdmänner keine Gentlemen sind. Erst das macht meine Seepferdtheorie zu Nichte.“
Ich stelle mir ein Beweisvideo vor, indem zu sehen ist, wie ein Seepferdmann mit einer Bierflasche in der Flosse zu einem Seepferdmädchen sagt „Babe, ich hol‘ grad nur mal Zigaretten“ und dann auf seinem Motorrad davondüst.
Oh. Wie mir diese Seepferdtheorie einfach für immer sicher ist!


Photo Credits: https://www.flickr.com/photos/waderockett/202790109